01.-04.04.2022 – Spätwinter im Sauerland

Bisher haben es nur Tourenberichte aus den Alpen auf diesen Blog geschafft. Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass ich zumindest mal in der Nähe zu den hohen Bergen wohne. Speziell beim Tourenbericht zu mehr als 3.000, bzw. mehr als 4.400 Höhenmetern an einem Tag habe ich einige Nachrichten dazu erhalten, dass es ja wirklich beeindruckend sei, dass ich konditionell dazu in der Lage bin, obwohl ich gar keine Trainingsmöglichkeiten zuhause hätte.

Richtig ist: Ich wohne in Nordrhein-Westfalen. Bis an den Alpenrand sind es knapp 600 Kilometer und mindestens 5-6 Stunden Fahrzeit, wenn alles gut geht. Und bei NRW denkt gewiss kein Alpenbewohner an Berge oder Wintersport. Dennoch wohne ich im Hochsauerland in einem sehr schönen und touristisch stark erschlossenen Mittelgebirge, welches quasi alle Möglichkeiten, die es in den Alpen hat, ebenfalls bietet. Allerdings entsprechend in Miniatur. Auf 843m Höhe ist am Langenberg auf dem Dach von NRW Schluss. Dieses kann ich von meinem zuhause auf 450m Höhe auch beim Lauf in der Mittagspause erreichen.

Egal ob Trailrunning, Mountainbike, Rennrad, Gleitschirmfliegen oder Wandern. Das alles geht. Soweit nicht unüblich fürs Mittelgebirge. Sportklettern geht in freigegebenen Steinbrüchen. Ohne den DAV gäbe es in unserem Bundesland inzwischen allerdings keinerlei Möglichkeiten mehr. Direkt vor meiner Haustür (Bruchhausen an den Steinen) stehen 4 große Felsmonolithen bester Felsqualität, an denen noch alte Haken von Dülfer vorzufinden sind. Bis zu 92m hohe, senkrechte bis überhängende Felsen. Einst das bedeutsamste Klettergebiet Norddeutschlands. Seit 1990 allerdings aus „Naturschutzgründen“ gesperrt. Ich liebe die Bruchhauser Steine, gleichzeitig ist es traurig beim Blick aus dem Fenster auf ein ideales Klettergebiet zu blicken, bei dem keinerlei Kompromisse gefunden werden konnten. Was im Sauerland nicht wirklich geht ist richtiges Bergsteigen. Abgesehen von den alpinen Routen an den Bruchhauser Steinen (die aufgrund der Kürze allerdings kein „richtiges“ Bergsteigen wären, jedoch sehr gut darauf vorbereiten würden) gibt es in einem Mittelgebirge nunmal keine alpinen Berggestalten. Nach entsprechend langen Kälteperioden gibt es aber durchaus die Möglichkeit in fantastischen Steinbrüchen Eisklettern zu gehen. Das war diese Saison allerings gar nicht möglich und im Coronawinter 20/21 nur an einem Wochenende der Fall. Infos dazu kennen nur die Locals.

Aber zunächst zum Winter. In meiner Region direkt zwischen den bekannten Wintersportorten Winterberg und Willingen (bekannt u.a. von der Bobbahn und dem Skispringen) liegen einige Skigebiete (meist in Höhenlagen zwischen 600 und 840m Höhe). In Winterberg befindet sich die stärkste (bzw. ggf. zweitstärkste) Beschneiungsanlage der Welt im modernsten Skigebiet Deutschlands mit zahlreichen Sesselbahnen (darunter zahlreiche 6er und 8er-Sesselbahnen). Trotz oft sehr durchwachsenen Wintern schafft man hier in der Regel mehr als 100-120 Saisontage. In einer guten Saison sind auch mehr als 150 Saisontage drin. Zuletzt wurde dafür aber massiv aufgerüstet. Neben Schneekanonen in einer Dichte, die ein Alpenbewohner niemals zuvor gesehen hat (vergesst Ischgl und Co.) sind inzwischen auch Snowmaker vertreten, die lange Tauwetterphasen überbrücken und somit das Geschäft, welches vom riesigen Einzugsgebiet an Gästen aus dem Ruhrgebiet und den Niederlanden lebt, absichern.

Während ich früher noch sehr regelmäßig mit Saisonkarte in den Alpinskigebieten unterwegs war, bin ich inzwischen fast nur noch auf Tourenski oder mit Langlaufski unterwegs. Ideal als Vorbereitung für lange Tourentage in den Alpen. Bei guter Schneelage sind zahlreiche Loipenkilometer gespurt. Und auch in Mildwintern wie dem vergangenen kamen dadurch zumindest in den „Höchstlagen“ auf etwa 800m Höhe zahlreiche Tage auf der Loipe zusammen.

Wenn auf der Loipe nichts vernünftiges geht oder frischer Neuschnee die Tourenski sinnvoller erscheinen lässt gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, je nach Schneefallgrenze.

Als Beispiel sei das vergangene Aprilwochenende beschrieben. Zugegeben: Ganz üblich ist ein solch winterliches Wochenende bei uns im April nicht. Andererseits gab es in den vergangenen Jahren immer wieder kurze Spätwintereinbrüche im April. Im vergangenen Jahr 2021 sogar noch um einiges intensiver als dieses Jahr.

Der 1. April 2022. Nachdem der März sehr trocken und mild verlief war (abgesehen von den beschneiten Pisten in Winterberg) eigentlich schon Ende mit Winter. Nun setzt wieder Schneefall ein. Beim Berglauf vor der Arbeit geht es vorbei am Bornstein. Mit 92m Felshöhe böte die steile Nordwestwand ideales Trainingsgelände für alpine Klettertouren. Abgesehen von uralten Rosthaken und ein paar Schlingen (allesamt mehr als 30 Jahre alt (seit 1990 ist das Klettern verboten)) würde man hier kein Material mehr vorfinden.
Der winterlich angehauchte Feldstein. Auf der Rückseite immerhin auch 45m hoch. Er ist der einzige Fels, der bestiegen werden darf (zu Fuß über einen Steig mit Stufen und Geländer).
Blick vom Feldstein (auf 756m Höhe gelegen) runter ins Dorf auf 450m. 300 Höhenmeter direkter Aufstieg. Ideales Trainingsgelände für Bergläufe auf felsigen Trails.
Vor der Arbeit meist alleine am Gipfel. Bei Schönwetter ist man hier gewiss nie alleine. Seit Corona hat der Touristenstrom stark zugenommen.
Befestigter Aufstieg zum Gipfel. Im Winter bei Dunkelheit wurde ich schon mal beim Statusbild gefragt, ob ich schon wieder im Allgäu sei ;-). Hier habe ich Silvester bei starker Vereisung auch tatsächlich einmal ein Päärchen mit Steigeisen getroffen (die sind aber selbst dann eigentlich nicht notwendig…). Jedenfalls die alpinste Ecke im ganzen Sauerland.
Nach den Höhenmetern vor der Arbeit waren im Laufe des Bürotages im Homeoffice noch ein paar Flocken gefallen. Weiterhin nicht genügend für die Tourenski oder zum Spuren der Loipen. Für ein paar Runden über den Sportplatz hat es gelangt. Manch einer mag jetzt Mitleid bekommen ;-).
Bis zum Samstagmorgen (02.04.2022) fiel dann mehr Schnee als erhofft. Rund 25 Zentimeter Neuschnee. Zwar hatte es zuvor keine Altschneeunterlage mehr (von ein paar Maschinenschneeresten abgesehen), jedoch reicht das bei dem grasigen und ebenen Untergrund vollkommen aus.
Grundsätzlich lässt es sich nirgendwo im Sauerland besser trainieren als in Willingen. Die beiden Berge Ettelsberg und Hoppernkopf sind von einigen Liften erschlossen (unter anderem eine 8er Kabinenbahn, eine 6er Sesselbahn, einer 8er Sesselbahn (mit Hauben und Sitzheizung) und zahlreichen Schleppliften, sowie Förderbändern). Die geografische Lage macht es den Betreibern hier leider schwer mit dem wesentlich schneesichereren Gebiet in Winterberg mitzuhalten. Der Ettelsberg ist gegenüber Wind sehr exponiert und so landet der Naturschnee bei Sturm oft in der Heide neben der Piste, bei kalten Temperaturen kann manchmal ebenfalls nicht beschneit werden, da der Wind diesen in die Heide verfrachtet und bei Tauwetter sind die Hänge Regen und Sturm in der Regel ziemlich schutzlos ausgeliefert. Dennoch kann hier in normalen Wintern meist von Dezember bis März (in den vergangen Jahren leider öfter mit Unterbrechungen) Ski gefahren werden.
Oben am Ettelsberg stehen einige verkrüppelte Bäume auf der Heidelandschaft rum.
An der Talstation der Kabinenbahn. Die Saison ist bereits zu Ende. Die Zäune wieder montiert, die Kanonen im Sommerschlaf. Die Kabinenbahn macht 236 Höhenmeter und erschließt mehrere Hänge.
Der Ettelsberg ist touristisch stark erschlossen. Obwohl der Ort und die Gegend drumherum landschaftlich einiges zu bieten haben ist Willingen auch bekannt für den exessiven Partytourismus, der u.a. hier oben an „Siggis Hütte“ bedenkliche Auswüchse annimmt und sonst eher in Ischgl oder am Ballermann anzutreffen ist. Meist jedoch nicht zu den Zeiten, in denen ich hier unterwegs bin. Zuletzt Mitte März hat Siggi morgens (noch bevor Gäste da waren) mit seinem Alphorn für das entsprechende Ambiente gesorgt.
Gipfelkreuz am Ettelsberg. Mehrere Abfahrtsmöglichkeiten, davon einige beschneit. Die meisten Trainingsmeter mache ich den Winter über am Köhlerhagen. 262 Höhenmeter am Stück. Mit entsprechendem Training im Auf- und Abfellen sind hier vor der Arbeit oft 1.000-1.500 Höhenmeter und an den Wochenenden auch mal 2.000 bis 3.000 Höhenmeter drin. Das schafft die Grundlage für lange Touren in den Alpen. Und klar: Wenn ich etwas weniger Auf- und Abfellen müsste wäre ich natürlich auch glücklicher.
Ortswechsel. Mittags daheim im Garten. Die legendäre Schaumrolle an der Königsspitze ist Geschichte. Am heimischen Holzschuppen wurde sie im April erneut zum Leben erweckt.
Direkt vor meiner Haustür startet auf 450m Höhe meine Lieblingsskitour im Sauerland. Ostseitig geht es hinauf bis auf 715m. 2 schöne Hänge, die ideales Skigelände vorweisen, mit Forstwegen dazwischen und oben raus. 2 Stacheldrahtzäune erfordern Beweglichkeit, dann gehts auch ohne Abschnallen. Die Schneelage lässt Touren hier allerdings zunehmend seltener zu.
Kurz vorm Gipfel, den ich im Herbst regelmäßig freischneide. Die letzten 10 Höhnemeter fehlen an diesem Aprilwochenende. Die Fichten darüber fangen in der Regel immer etwas Schnee ab. Ansonsten sind es 265 Höhenmeter, direkt vor der Haustür am Stück.
Ich liebe den Ausblick (Sommer wie Winter) hinab aufs Dorf. Zudem mit Blick auf den kegelförmigen Istenberg, bestückt mit den Bruchhauser Steinen.
Etwas steiler dürfte er schon sein. Um Lawinen muss/darf man sich nirgendwo im Sauerland Gedanken machen.
Abschwingen kurz vorm eigenen Haus mit den Steinen im Hintergrund.
4x rauf, etwas mehr als 1.000 Höhenmeter vor der Haustür. Und dabei der Blick aus Wohnzimmer, Küche und Büro auf die eigenen Spuren gegenüber. Das sorgt für innere Zufriedenheit in höchstem Maße!
Am Sonntag (03.04.2022) die Qual der Wahl. Zunächst also vor dem Frühstück zumindest einmal zum Hausberg rauf. In der Hoffnung auf einen schönen Sonnenaufgang (üblicherweise zwischen den Steinen). Heute leider von Wolken verdeckt.
Trotzdem schöne Morgenstimmung. Und klirrend kalt. -11 Grad zeigt mein Thermometer im Tal an diesem Aprilmorgen an.
Später der Blick auf meine inzwischen 5 Spuren am Hang. Die Spitzkehren sind fürs Spurbild da. Schließlich schaut die ganze Nachbarschaft drauf. Da lässt man sich nicht lumpen.
Nach der kurzen Skitour geht es nach dem Frühstück zur Niedersfelder Hochheide. Ausgangspunkt auf knapp 800m Höhe. In der Regel das schneesicherste Loipengebiet im Sauerland. Zudem das landschaftlich reizvollste.
Die Skatingspur leider regelmäßig von Fußgängern zetrampelt und noch nicht wieder frisch präpariert (etwas zu früh dran). Blick zum Gipfelkreuz vom Clemensberg (etwa 830m).
Frisch gespurt auf der Loipe Lüttekefeld.
Hier wird es so schnell nicht langweilig. Wenn alles gespurt ist sind auch 50 Kilometer gut möglich, ohne, dass man viele Abschnitte doppelt läuft.
Und wieder am Ettelsberg auf 838m mit weitem Ausblick ins tiefere Umland.
Noch 30m, dann wird das Spurgerät ein letztes Mal in dieser Saison hochgeklappt. Danke für viele schöne Momente in der Loipe!
April. Und selbst runter ins Strycktal ist gespurt. Somit kann man mit Langlaufski zwischen 838 und 610m auf präparierten Loipen laufen.
Um den fluffigen Pulverschnee auf weicher Loipe nicht wieder hinaufskaten zu müssen kürze ich 2x über die Treppe an der Mühlenkopfschanze ab. Jeden Winter geben wir an der Schanze von unserer Sektion einen Kurs zum Begehen von Firnhängen. Bei 38° Hangneigung und entsprechenden Schneeverhältnissen durchaus geeignetes Kursgelände.
Auf der Niedersfelder Hochheide. Was für ein herrlicher Skilanglauftag! Und nochmal: April!
Knapp 40km, 855 Höhenmeter. Gut für die Kondition. Leider ist mir den Tag noch die Handschlaufe gerissen, sonst wären es noch ein paar Meter mehr geworden.
Ich habe noch keine Saisonstatistik ausgewertet. Es werden aber weit mehr als 50 Skitage sein. Bis zum heutigen Tag entweder auf Langlaufski oder den Tourenski.
Der Dorflift am Nordhang des Sternrodts (590-790m Höhe) hat nach sehr miserabler Saison spontan für einen Tag geöffnet (Beschneiung gibt es hier nicht) und so entscheide auch ich mich spontan dazu, meine Alpinski zu entstauben und ein paar Abfahrten mit Lift zu machen. Hoffentlich hält er noch einige Jahre durch. Hier habe ich quasi lückenlos jeden Wintertag meiner Kindheit und Jugend verbracht, sofern es die Schneelage zuließ.
Von den beiden Schleppliften wird inzwischen meist nur noch eine Anlage benötigt. Zu stark ist die Konkurrenz in den vergangenen Jahren in den großen Skigebieten nebenan (Winterberg und Willingen) geworden. Dabei lässt es sich hier immer ohne Wartezeiten schön fahren, während in den großen Nachbarskigebieten Wartezeiten von 10-20 Minuten, an Spitzenwochenenden auch durchaus bis zu 30 Minuten an den Kapazitätsmonsteranlagen, keine Seltenheit sind. Inzwischen ein Geheimtipp (www.sternrodt-skilift.de).
Talstation auf 590m.
Das Wochenende ist vorbei. Die Angst, der Winter sei bald vorbei, verstärkt sich weiter. Für den Montag ist es noch ein letztes Mal winterlich gemeldet. Also vor der Arbeit kurz rauf an den Skihang. Im Hochwinter verbringe ich den frühen Morgen vor der Arbeit oft mit Stirnlampe und Tourenski. Im April ist es glücklicherweise deutlich früher hell. Die Stirnlampe darf im Keller bleiben.
Etwas mehr als 200 Höhenmeter sind es vom Parkplatz bis zur Bergstation. Heute wieder wie gewohnt ohne Liftbetrieb.
Nach dem Arbeitstag daheim (zum Glück arbeite ich fast ausschließlich remote im Homeoffice) geht es zum Abschied ein letztes Mal nach Willingen an den Ettelsberg und über den Köhlerhagen hinauf. Starker Schneefall und Sturm. Normalerweise sieht der Saisonabschluss hier gänzlich anders aus. Meist auf Maschinenschneeresten bei frühsommerlichen Temperaturen. In diesem Jahr gabs diesen Tag schon Mitte März.
Windgangeln, wie man sie sonst eher im Hochgebirge der Alpen antrifft.
Die letzten Schwünge der heimischen Skisaison auf Naturschnee im Windschatten der Baumreihe. Herrlich zu fahren!
Während es daheim beim Blick aus dem Wohnzimmer schon gar nicht mehr so winterlich ausschaut. Nun steigt die Schneefallgrenze bis über die höchsten Lagen hinaus an. Machs gut Winter!

Falls sich der ein oder andere Alpenbesucher oder -bewohner zu diesem Beitrag verirrt hat wird er gewiss an der ein oder anderen Stelle den Kopf geschüttelt haben. Auf- und Abfellen alle 250 Höhenmeter? Höchster Berg auf 843m?

Nun, das Sauerland ist und bleibt ein Mittelgebirge. Gewusst wie kann man aber auch hier einiges rausholen und sich ideal auf die langen Tourentage in den Alpen vorbereiten. Voraussetzung dafür ist an manchen Tagen bedingungslose Leidenschaft. Dieses April-Wochenende reihte sich für mich persönlich dennoch zu den vielen schönen Wintersportwochenenden, die ich im März vorrangig in den Alpen verbracht habe, ein.

Echte Heimatliebe, auch wenn einen der Gedanke an einen Umzug in die Alpen wohl niemals so ganz loslassen wird.

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