12.03.2022 – Skitour Tannheimer-Tal-Express

Nachdem das vorangehende Wochenende bereits ideal vorlegte ließen Wetter- und Schneeverhältnisse mir keine andere Wahl. Von daher ging es erneut ins Allgäu.

In den Tannheimern war ich inzwischen schon oft. Meist zum Klettern an Hochwiesler, Gimpel und Roter Flüh. Im vergangenen Dezember bin ich das gesamte Tal von Nesselwängle, über Vilsalpsee bis Oberjoch und zurück mit Ski über die Loipen gelaufen. Ebenfalls ein sehr schönes Tagesprogramm. Zum Skitour gehen war ich hier bislang allerdings noch nicht unterwegs, obwohl im Führer zahlreiche Touren aufgeführt werden, die sehr regelmäßig begangen werden. Einzeln waren die für mich aber jeweils nicht attraktiv genug (eher etwas für Durchreise oder Feierabendtour, nicht jedoch tagesfüllend bei derart stabilen Verhältnissen).

Schon daheim wurde der Allgäuführer gewälzt und in Kombination mit Alpenvereinaktiv und Google Earth, sowie meiner bisherigen Ortskenntnis aus der schneefreien Zeit eine grobe Strecke geplant, die möglichst das gesamte Tannheimer Tal südseitig durchqueren sollte. Gleichzeitig wäre ein Abbruch quasi jederzeit möglich gewesen, weil man bei Bedarf einfach nach Norden das jeweilige Tal herausfährt.

Und so begann ein langer Skitourentag um 5:17 Uhr am leeren Parkplatz der Seilbahn in Schattwald. Nach Lösen des Parktickets beginnt der Aufstieg direkt über die Skipiste. So macht man in kurzer Zeit einige Höhenmeter.

Fast wie zuhause. Pistenskitour vor der Arbeit mit Stirnlampe mit schöner Morgenstimmung. Mit dem Unterschied, dass das sich Panorama im Alpenraum wesentlich zackiger vor die Morgendämmerung legt, als das bei mir daheim im Sauerland der Fall ist ;-).
Und schon ist die Leidenschaft wieder voll entfacht.
Genau neben den bekanntesten Kletterbergen der Tannheimer geht die Sonne auf und läutet einen absoluten Traumtag ein.
Nach 1:45h passt die Zeitplanung somit perfekt. Während am Kühgundkopf bereits südseitig die Sonne strahlt schaut es nordseitig in Richtung Oberjoch und Bad Hindelang noch düster aus.
Wie erwartet ist der Weg rüber zum Bschießer freigeblasen. Da ich schon mal schneefrei oben war lasse ich den Gipfel heute aus. Man könnte ihn ansonsten durchaus mitnehmen und spart ggü. meiner Variante noch ein paar Höhenmeter ein.
Der Blick rüber zum nächsten Ziel. Ponten im Vordergrund. Gaishorn im Hintergrund. Am Ponten schauen einige Latschen raus.

Die Abfahrt vom Iseler runter schaut im ersten Sonnenlicht großartig aus, lässt sich allerdings beschissen fahren. Stark angetaut von den Vortagen, teilweise Büßerschneeartig und natürlich unregelmäßig zerpflügt sind Südhänge zur frühen Zeit noch bockhart gefroren und dementsprechend ganz sicher kein Abfahrtsvergnügen. Macht aber nichts. Die tagesfüllende Tour zielt darauf ab, die idealen Verhältnisse später an einem anderen Südhang zu erwischen.

Runter geht es also zunächst zum Stuibensattel. Ab dort dann endlich auch wieder vernünftig fahrbarer Schnee weiter bis zum Schlepplift. Wieder Auffellen und dann über den üblichen (nordseitigen) Anstieg durchs Güntle vorbei an der Mittleren Stuibenalpe in Richtung Ponten.

Mittig der Bschießer im erneuten Aufstieg. Links ins Tal gehts rein zum Ponten.
Bis ganz zum Gipfel kann mit Ski nicht aufgestiegen werden und wegen der herausstehenden Latschen wäre die Abfahrt auch recht suboptimal.
Blick zur Südseite vom Bschießer. Schaut steiler aus als es ist und wäre an diesem Tag gewiss ganz gut gegangen. Dann könnte man den Gipfel ebenfalls als Überschreitung mitnehmen.
Südseitig kurz unterm Gipfel am Ponten dürfen die Ski das erste Mal geschultert werden.
Ponten. In Bildmitte die Rohnenspitze.
Und der Blick nach Südosten auf einige weitere Tagesziele. Rechts runter im Tal liegt die Willersalpe. Hinten rechts das Gaishorn.
Noch in weiter Ferne ist mit viel optischem Zoom das letzte angedachte Ziel des Tages zu erkennen. Die Krinnenspitze. Ob mein Plan aufgeht und die Kondition bis dorthin mitmacht?
Ursprünglich hatte ich geplant vom Ponten direkt in Richtung Zirleseck abzusteigen/abzufahren. Der Autor des Skitourenführers hatte mir allerdings eher die Abfahrt durch die Rinne runter zur Willersalpe empfohlen. Vielen Dank dafür!
Teilweise schaffte es die Sonne den Schnee allmählich minimal aufzuweichen. Meist war die Rinne allerdings auch noch bockhart. Auch hier zu früh dran, sonst gewiss ein Traum. In Bildmitte war die südseitige Rinne nicht mehr sehr stark mit Schnee befüllt und ist inzwischen (eine Woche später) vermutlich ein kurzes Stück ausgeapert.
Der Abstecher zur Willersalpe runter hat sich trotzdem gelohnt. Der Weg direkt zum Zirleseck wäre wegen Bewuchs usw. jedenfalls keine sinnvolle Abfahrt gewesen. Nun kommen ein paar Extra-Höhenmeter hinzu.
Rückblick ins Hintersteiner Tal. Willersalpe unten im Kessel.
Trotz vollem Tagesprogramm bleibt genügend Zeit für einige Verpflegungspausen. Hier am Zirleseck. Ich fahre zunächst ein paar Meter (teilweise noch pulvrig ab). Auch hier könnte man allerdings Höhenmeter einsparen, wenn man dem Sommerweg am Bergrücken zunächst in Richtung Gaishorn folgt.

Von 1.660m Höhe geht es wieder hinauf in Richtung Gaishorn. Jetzt treffe ich auch auf die ersten Tourengeher des Tages.
Der Aufstieg führt zunächst zum westlichen Ausläufer (Gaiseck) des Gaishorns. Zunehmend steil geht es gerade noch ganz gut ohne Harscheisen.
Auf den letzten Metern vorm Gaiseck müssen die Ski geschultert werden. Steigeisen habe ich bewusst im Auto gelassen. Geht ohne. Anschließend noch einige Meter nach Osten über den Gratrücken zum Gipfel.
Das Panorama lädt zur nächsten Gipfelrast am Gaishorn ein. Unten im Tal liegt der Vilsapsee. Von diesem aus soll es in Bildmitte links zunächst hinauf zur Landesberger Hütte weiter gehen.
Gaishorn und Allgäuer Hochalpen (Rauheck links im Vordergrund, links dahinter bspw. der Hochvogel).
Und wieder kommt es auf das Timing an. Während die bisherigen Abfahrten tageszeitlich eigentlich zu früh dran waren sollte es hier nun endlich passen. Vom Gipfel aus prägt man sich zuvor am besten gut ein, welche Abfahrtsvariante nach Süden runter möglich ist. Direkt vom Gipfel aus enden die Mulden in steiler werdendem und schneefreien Absturzgelände. Zunächst also ein paar Meter zurück in Richtung Gaiseck, bevor die Ski angeschnallt werden.

Kurz zuvor waren 2 Skitournegeher die ersten, die heute in den Hang einfuhren. Neben mir machte sich ein Paar bereit für die Abfahrt. Ich hatte wohl den Eindruck erweckt die Abfahrt zum Vilsalpsee wäre ein spontaner Entschluss gewesen, weil ich dort 2 andere hab abfahren sehen. Dementsprechend wurde ich kritisch befragt, ob ich denn wüsste, wo es dort überhaupt lang geht usw. Dass ich kein Einheimischer bin hört man am fehlenden Dialekt schnell ;-). Andererseits beschäftigen sich wohl die wenigsten so intensiv mit ihrer Tourenplanung, wie ich es für diesen Tag getan habe. Gemeinsam fahren wir zu Dritt nacheinander in den Hang ein.

Was folgt ist die schönste Abfahrt der gesamten Saison! Hier passt das geplante Zeitfenster perfekt. Ein fließender Übergang von Firn bis Sulz stellt alle Abfahrten des heurigen Winters in den Schatten. Es sind solche Abfahrtsmomente, die mir gewiss noch in ein paar Jahren präsent sein werden.
Nach unten hin wird der Sulz tiefer und weicher. Generell ist die Abfahrt nichts für Einsteiger und setzt sehr sichere Verhältnisse voraus.
Der Vilsalpsee kommt näher. Das gegenüberliegende Tal führt später hinauf zur Landsberger Hütte.
Landschaftlich prächtig und zudem sehr abwechslungsreich.
Optimales Skigelände geht allmählich in Botanik über. Auf wenig Schnee oder auf rar gesäten Resten fahren machen wir daheim im Frühjahr regelmäßig. Dennoch schnalle ich die Ski in schneefreien Waldstücken früher ab, als die Einheimischen stelle ich fest ;-).
Rückblick. Nach ein paar Metern durch den Wald können die Ski auch schon wieder angeschnallt werden. Optimales Gelände, um rauszufahren gibt es vermutlich nicht, vielleicht waren wir aber auch nicht auf der Ideallinie unterwegs. Im flachen Talgrund geht es in Richtung See. Dort ist viel Trubel. Einige Langläufer sind auf dem noch tragfähig gefrorenen Vilsalpsee unterwegs.
Alleine bis zum Gaishorn hat man auf dieser Routenführung bereits mehr als 2.500 Höhenmeter Aufstieg hinter sich gebracht. Man könnte also ruhigen Gewissens vom Vilsalpsee ins Tannheimer Tal hinab skaten und würde auf einen abwechslungsreichen und herrlichen Tourentag zurückblicken. Ich fühle mich weiterhin uneingeschränkt fit und peile daher den Aufstieg zur Landsberger Hütte an. Dabei gehen dann zunehmend Körner verloren. Der häufige Wechsel vom trockenen Schnee im Schatten zum benachbarten, inzwischen angefeuchteten Schnee in der Sonne und zurück lassen die Ski gefühlt einige Kilo schwerer werden. Nach langem Ignorieren des Anstollens hilft dann ein Stück Hartwachs aus. Bei solch langen Touren kann man einen zu hohen Puls nicht gut gebrauchen. Hinzu kommt, dass vorangehende Schneeschuhgeher die Spur stark malträtiert haben.
Ab dem Traualpsee öffnet sich das Gelände. Es wird flacher und weitläufig. Die Landsberger Hütte kommt in den Blick. Sie thront oberhalb eines breiten Felsriegels.
Die Schneeschuhgeher wühlen am Felsriegel rum. Allerdings zu weit westlich. Dort führt kein Anstieg hinauf.
Entlang des Sommerwegs müssen die Ski geschultert werden. Ich war erstaunt wie weit er vor mir noch mit Schneeschuhen kam. Letztlich haben sie dort dann aber abgebrochen. Ich war froh, dass die Passage ohne Steigeisen machbar war. Möglicherweise können sie heir aber je nach Verhältnissen notwendig werden.
Mittig liegt die Landsberger Hütte. Die bisherige Tour führte von rechts herauf kommend. Auch hier gäbe es noch schöne, ruhige Ziele, da der Zustieg umständlich ist.
Der Schnee wird sulziger. Glücklicherweise durchgehend, somit ist Anstollen auch kein Thema mehr.
Südseitig macht sich der Frühling bemerkbar.
Eine Schochenspitze auf der Schochenspitze. Diesen klanghaften Gipfel muss ich mitnehmen, auch wenn die letzten Meter wieder Ski tragen angesagt ist. Ich grübel übrigens noch darüber, ob nur im Sauerland Füße als „Schochen“ bezeichnet werden?
Die Freude über die Abfahrt am Gaishorn ist noch nicht verflogen. Von der Schochenspitze aus kann man diese noch mal gut inspizieren. Hier wird auch gut deutlich, weshalb man sich vorab gut einprägen sollte, welche Mulde man für die Abfahrt hernimmt.
Nach der Schochenspitze geht es weiter zur Sulzspitze. Wohl ebenfalls häufig begangen. Inzwischen ist es jedoch spät genug, damit ich auch hier meine Ruhe genießen kann. Der Aufstieg hinauf war stellenweise allerdings schon so sulzig, dass hier wieder einige Kalorien beim Wegrutschen der Ski im Aufstieg beansprucht wurden.
Danach folgt eine längere Abfahrt von der Sulzspitze das Tal hinaus in Richtung Haldensee. Allmählich kommt spätnachmittagliche Stimmung auf.
Nach kurzem Blick auf die Uhr steht aber fest: Es geht sich aus! Wie geplant darf ich auch den Aufstieg auf die Krinnenspitze noch angehen. Meist über einen schmaleren Forstweg geht es durch den Wald ein letztes Mal für diesen Tag bergauf. Abschnittsweise wurde es hier schon dünn und dreckig.
Bis kurz vor den Gipfel konnte (zuletzt durch Latschenfelder) mit den Ski aufgestiegen werden.
Gegenüber winken die schneefreien Südseiten von Roter Flüh, Gimpel und Hochwiesler hinüber. Mitte Oktober war ich dort noch am Gimpel zu meiner letzten alpinen Klettertour vor dem Winter (und nichtsahnend leider wohl auch zum letzten Mal in diesem Schwierigkeitsgrad…).
Blick runter nach Nesselwängle.
4.000er Skitour in den Tannheimern ;-).
So schön die Abendstimmung auch ist. Es wird Zeit für die letzte Abfahrt des Tages, bevor es wieder anzieht.
Dank kurzem Gegenanstieg in der Abfahrt wurden die 4.400 Höhenmeter noch geknackt. Auch für mich persönlich ein neuer Höchstwert. Die letzten Meter führen, wie die ersten Meter des Tages, erneut über Skipisten. Dort wird bereits präpariert, ich kann den frischen Rillen neben der Piste jedoch noch aus dem Weg gehen (es ist ein Unding frisch präparierte Pisten zu zerfurchen!).

12:52 Stunden sind seit dem Start am Morgen vergangen. Es ist inzwischen nach 18 Uhr und ich bin froh noch den vorletzten Bus um 18:38 von Nesselwängle zurück nach Schattwald nehmen zu können.

Draußen wird es wieder kalt und dunkel. Ich bin der einzige Fahrgast.

Tourdaten (gemäß GPS-Messung):

Distanz: 39,49 km

Höhenmeter: 4.421 m

https://www.strava.com/activities/6813929878

https://www.alpenvereinaktiv.com/de/tour/tannheimer-tal-express/238807146/

Fazit:

Ein sehr langer Skitag und eine abwechslungsreiche Durchquerung der Tannheimer an einem Tag. Damit die Tour gelingen konnte musste einiges passen: Schneelage, Lawinenlage, Wetter, Kondition, nicht zu warme Tage und nicht zuletzt die passende Tageszeitlänge. Das alles zusammen zu bekommen ist vermutlich gar nicht so einfach. Der März ist wohl der mit Abstand aussichtsreichste Monat für ein solches Vorhaben. Die Tage sind inzwischen schon lang und nähern sich der Tag-Nacht-Gleiche an. Schnee ist ausreichend vorhanden und auch die südseitigen Abfahrten sind noch vernünftig mit Schnee bedeckt. Nach langer Schönwetterphase und Lawinenwarnstufe 1 (ganztags, über alle Höhenstufen) kommt man auch zeitlich nicht in Bedrängnis. Später im Jahr werden die Trageabschnitte länger und auch die tageszeitliche Erwärmung kann zum Problem werden. Egal ob aus lawinentechnischer Sicht oder schlichtweg deshalb, weil die Anstiege im tiefen Sulz wieder deutlich mühsamer werden.

An diesem Tag hat jedoch einfach alles gepasst. So wie ich es mir im besten Fall erhofft hatte. Ansonsten auch hier noch mal der Hinweis, dass die Tour auch in Abschnitten schon sehr lohnend ist und zwischendurch fast immer sehr gut abgebrochen werden kann (dann einfach nach Norden ins Tannheimer Tal rausfahren).

Noch logischer wäre der Start der Tour möglicherweise ab Oberjoch und dann über Iseler statt Kühgundkopf. Ich hatte mich dagegen entschieden, da ich auf dem Iseler schon war, dem Kühgundkopf noch nicht und außerdem, weil ich vorab in die Busfahrpläne geschaut hatte und wusste, dass zu später Tageszeit kein Bus mehr bis Oberjoch zurückfährt. Abends ist in Schattwald Ende. Wäre sich also auch nicht ausgegangen.

Für mich selbst war die Tour jedenfalls ein herausragendes Erlebnis. Viele verschiedene Eindrücke, zahlreiche Gipfel, nie auf dem Aufstiegsweg abfahren müssen. Traumhaftes Wetter und auch die schönsten Abfahrtsmomente des Winters am Gaishorn. Am Ende des Tages macht sich zudem ein Glücksgefühl breit, welches mir bestätigt, dass es sich lohnt im Winter (oft mit Stirnlampe in Dunkelheit) auch vor der Arbeit zahlreiche Meter auf den Ski zu sammeln, während die Kollegen noch schlafen. Zudem ist es die tiefe Dankbarkeit, überhaupt in der Lage zu sein, solche langen Touren gesundheitlich und konditionell erleben zu dürfen.

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